[DE+EN] #RidersOnTheStorm – Riders in Berlin demand co-determination!

Berliner Lieferdienstfahrer*innen (“Rider”), erleben gerade heftige Tage. Zur Corona Pandemie kam in der letzten Woche ein Kälteeinbruch und Schneesturm hinzu. Bei Glatteis, Minusgraden, Wind und Schnee sitzen unsere Kolleg* innen bis zu Zehn Stunden täglich auf dem Rad, um für Unternehmen wie Wolt oder Lieferando Essen auszuliefern. Die Risiken die dabei momentan entstehen sind nicht zumutbar! Die sogenannten Arbeitgeber*innen scheinen daran bisher nicht interessiert zu sein.

Wie schon zu Beginn der Corona-Krise geben sich die Unternehmen als kaltschnäuzige Krisengewinner*innen, die nicht einmal nachfragen, was Arbeiterinnen zu ihren mehr als lückenhaften Arbeits- und Gesundheitsschutzkonzepten sagen. Die “Kontaktlose Lieferung” ist nicht kontaktlos. Fahrerinnen bekommen nur schwer Zugang zu sanitären Einrichtungen. Schutzmasken werden gar nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung gestellt. Ebenso fehlen angemessene Winterkleidung und Winterreifen für die Fahrräder.

In den Betrieben bleibt ein solches Vorgehen nicht folgenlos. Rider von mehreren Lieferdiensten haben selbstorganisierte Gruppen aufgebaut, in denen Mitglieder von Betriebsgruppen der FAU Berlin aktiv beteiligt sind. Die Rider vernetzen sich immer mehr. Hierbei werden sie von der FAU Berlin solidarisch unterstützt.

Die Betriebsgruppe Lieferando der FAU Berlin hat gemeinsam mit Ridern des Lieferdienstes Wolt die folgenden Forderungen aufgestellt:

1. Angemessene Ausstattung!

Wir fordern angemessenes Equipment für Winter und Sommer, welches rechtzeitig zur Verfügung gestellt wird. Ausrüstung in der Zentrale (Hub) abzuholen kostet Zeit und muss als Arbeitszeit angerechnet werden. Wir haben das Recht darauf, für all unsere Arbeitszeit bezahlt zu werden. Wenn wir nicht dafür bezahlt werden das Equipment abzuholen, muss es uns nach Hause geschickt werden.

2. Sichere Arbeitsbedingungen!

Wenn sichere Arbeitsbedingungen nicht gewährleistet werden können, sollte der Betrieb gestoppt werden. Keine Fahrerin sollte sich dazu gezwungen sehen unter gefährlichen Bedingungen zu arbeiten. Dazu zählen Glatteis, starker Schneefall, starker Wind/Böen und extreme Kälte.

3. Mitarbeiter*innen Mitbestimmung!

Mitarbeiterinnen und Managerinnen müssen zusammen entscheiden, welche Arbeitsbedingungen akzeptabel sind. Wir fordern,dass beide Parteien zusammen klare und zuverlässige Kriterien erstellen – und zwar anhand von Feedback der Fahrer*innen – sodass wir vorab abschätzen können, ob und wann eine Schließung stattfinden wird.

4. Schlechtes Wetter? Betrieb einstellen, Lohn weiter zahlen!

Wir bestimmen nicht das Wetter, wir können nur sicher stellen, dass wir für unsere Schichten verfügbar sind. Wir fordern volle Bezahlung von Schichten, wenn eine Einstellung des Betriebs durch ein unsicheres Arbeitsumfeld notwendig ist. Unsere Arbeitsunfähigkeit ist unter solchen Bedingungen nicht unsere Schuld, somit sollten wir nicht den Preis dafür zahlen müssen. Tage, an denen der Betrieb eingestellt werden muss, dürfen nicht von Urlaubstagen abgezogen werden.

5. Arbeitsmittel bezahlen, reparieren, ersetzen!

Wenn etwas von unserem persönlichen Equipment durch das Arbeiten in schlechtem Wetter kaputt geht, muss das Unternehmen für den Schaden aufkommen.

6. Zugang zu sanitären Einrichtungen!

Wir fordern, dass das Unternehmen dafür sorgt, dass wir garantierten und einfachen Zugang zu Toiletten und Waschräumen während unserer Schicht haben. Dies ist ein Gesundheits- , Sicherheits- und Gleichstellungsrecht: Wir haben ein erhöhtes Risiko, dem Coronavirus ausgesetzt zu sein. Unsere Kolleginnen leiden hierunter besonders. Lieferando muss Restaurants bezahlen, damit Fahrer*innen Zugang zu den Toiletten gewährt werden kann. Zudem muss Lieferando eigene Toiletten bereitstellen.

Zur Durchsetzung der Forderungen sind unsere Kolleg*innen und Genoss*innen auch auf die Öffentlichkeit, nicht zuletzt aber auf die Solidarität der Kund*innen angewiesen. Im stressigen Arbeitsalltag ist Essensbestellung oft eine einfache Lösung. Wenn ihr die Rider in diesen Tagen unterstützen wollt, könnt ihr das schon durch ein bis zweimal selbst Kochen tun. Wenn ihr bestellen wollt, dann am besten bei Lieferdiensten, in denen Rider selbstbestimmt entscheiden können, ob es für sie sicher ist zu liefern oder nicht. Zum Beispiel bei berliner Lieferdienstkollektiven (kolyma2.de or foodfairies.de).

Am Ende wird es dann aber auch das Wetter selbst sein, das Fakten schafft. In der Lieferando Betriebsgruppe der FAU Berlin machen sich die kalten Tage durch einen hohen Krankenstand bemerkbar. Auch viele andere Betriebsabläufe sind stark verlangsamt. Die privaten Handyakkus scheitern an der Kälte, gefrorene Straßen verlangsamen die Zustellung. Fehlende Winterreifen und Winterkleidung führen zu Unfällen und Erkrankungen.

Wir bedauern diese Umstände sehr und erklären uns solidarisch mit unseren Kolleg*innen auf Berlins Straßen. Wir sehen bisher nicht, dass die Leitungen der Lieferdienste gewillt sind Lösungen mit den Ridern zu finden. Sie wälzen Risiko und Verantwortung auf die Rider ab. Diese Willkür verunsichert viele Rider. Immer mehr finden Lösungen durch Selbstorganisation und Solidarität.

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Riders in Berlin are currently experiencing some tough days. Besides the Corona pandemic, last week was marked by a cold snap and snowstorm. With black ice, sub-zero temperatures, wind and snow, our colleagues are biking for up to ten hours a day to deliver food for companies like Wolt or Lieferando. The risks that arise at the moment are not acceptable! The employers do not seem to care about the riders risking their lives on the road.

Like at the beginning of the Corona crisis, the companies present themselves as callous crisis profiteers, who don’t even ask what workers have to say about their more than sketchy health and safety concepts. The “contactless delivery” is not contactless. Drivers have difficulty accessing toilets. Protective masks are not provided at all or not sufficiently. Likewise, adequate winter clothing or winter tires for the bicycles are missing.

In the companies, such an approach does not remain without consequences. Riders from several delivery services have built up self-organized groups in which members of company groups of the FAU Berlin are actively involved. The riders are networking more and more. The FAU Berlin supports them in their struggle.

The workers group Lieferando of the FAU Berlin, together with riders of the delivery service Wolt, has set up demands:

1. Proper equipment for Summer and Winter!

We demand proper equipment for winter and summer, delivered at the right time. Picking up gear at the office (hub) is time consuming and should be considered working time. We have the right to be paid for all our working time. If we are not paid to collect equipment, it should be posted to us as home.

2. Safe work conditions!

When safe working conditions cannot be ensured, operations should be stopped. No rider should be forced to work in hazardous working conditions. This includes black ice, heavy snow, strong wind/gusts, and extreme cold.

3. Workers say!

Workers and managers should decide together on which working conditions are acceptable. We demand that both parties, together, create clear and reliable criteria based on feedback from riders so that we can predict if and when a shutdown is going to apply.

4. Bad Weather? Pause operations but continue to pay!

We do not choose the weather, but we make sure to be available and ready for our shifts. We demand full payment of shifts when operations are closed due to an unsafe/unsuitable working environment. Our inability to work in these conditions is not our fault, so we should not have to pay the price! No deduction from holidays should ever occur!

5. Pay for or repair, replace work equipment!

If any of our personal equipment, including our bikes, are damaged due to working in bad weather, the company should pay to fix them.

6. Access to toilets!

We demand that the company ensures that we have guaranteed and easy access to toilets and washing facilities during shifts. This is a health and safety right and a gender equality right: we are at an increased risk of exposure to coronavirus and our female colleagues are especially affected. Lieferando has to pay restaurants to offer riders/drivers access to their toilets! Additionally Lieferando has to provide own toilets.

In order to enforce their demands, our colleagues and comrades are dependent on the public, as well as on the solidarity of the customers. In those stressful working day it is often an easy solution to order food. But if you want to support the riders these days, you can do it by cooking once or twice instead of ordering. If you want to order, then it’s best to order from delivery services where riders can decide for themselves whether it’s safe for them to deliver or not, for example, from Berlin delivery collectives (kolyma2.de or foodfairies.de).

The weather itself determines if it is possible to ride. In the Lieferando workers group of the FAU Berlin, the number of sick leaves increased dramatically during the cold days. Many other processes have also slowed down considerably. Workers’ private phone batteries fail due to the cold, frozen roads slow down deliveries. Lack of winter tires and winter clothing lead to accidents and illness.

In such circumstances, we want to declare our solidarity with our colleagues on Berlin’s roads. It does not seem like the management from the company is willing to find solutions for the riders. They transfer all the risks on the riders. Many of them feel unsafe. That’s why more and more of them turn on solidarity and self-organization.

[ssba]